Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung
12. September 2018 | Evangelische Akademie Bad Boll

Zusammenwachsen in einer pluralen Gesellschaft

Impulse für Schule, Jugendarbeit, Öffentlichkeit und soziale Medien


Mobbing, Hatespeech und verrohende Sprache beherrschen manchen Schulhof, während ranghohe Politiker auf Twitter Schmähung und Ausgrenzung veröffentlichen. Wie kann Prävention gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wirksam werden? Die Tagung in der Ev. Akademie Bad Boll am 20. und 21. Juni 2018 suchte der Frage nachzugehen, wie zunehmender Radikalisierung und Ausgrenzung in Schule, Jugendarbeit, Öffentlichkeit und sozialen Medien begegnet werden kann. Dazu lud ein interdisziplinäres Veranstalterteam zur gemeinsamen Tagung ein: Kultusministerium, Oberkirchenrat, Friedenspfarrer, Landeszentrale für politische Bildung, Landeskriminalamt sowie Ev. Akademie Bad Boll.

Wir leben in Baden-Württemberg schon lange in einer pluralen Gesellschaft. Die Aufregung darüber scheint jedoch aktuell zu eskalieren. Individuelle Ängste und Unsicherheiten werden populistisch aufgegriffen und schüren fremdenfeindliche Haltungen. Jugendliche wachsen  in einer Gesellschaft auf, die Häme, Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit zulässt. Manche Jugendliche sind herber Ingroup-Outgroup-Dynamik ausgesetzt.

Deutlich wurde in der Tagung: Pluralität im öffentlichen Raum darf nicht (mehr) dem Zufall überlassen bleiben. Gesucht werden müssen nahräumliche, vernetzte Konzepte im Gemeinwesen bzw. im Quartier, um ein friedliches Zusammenwachsen der vielfältigen Kulturen, Religionen und  Generationen aufzubauen. Es geht um eine vernetzte Präventionsarbeit, die Fremdheiten abbaut, Begegnungen schafft, Verantwortungen teilt und einfordert, um weitere Ausgrenzung und Gewalt zu verhindern.

Eigentlich ist schon ganz schön viel los…

Viele Einrichtungen und Organisationen leisten gute Präventionsarbeit, sind aber nicht bekannt oder wissen nicht von einander. So wurden bei der Tagung exemplarisch einzelne Anlaufstellen bzw. potentielle Netzwerkpartner vorgestellt, um Inspiration für das eigene Wirken und Tun vor Ort zu geben:

Das „Bündnis Kirche für Demokratie und Menschenrechte“ der Ev. Landeskirche. Oder NikLAS (Netzwerk für interkulturelles Lernen und Arbeiten an Schulen), vonseiten des Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, das mit der Handreichungsreihe „Integration und Bildung“ Lehrkräfte und Schulleitungen unterstützt, neu zugewanderte Kinder und Jugendliche in ihren Schulen aufzunehmen und erfolgreich ankommen zu lassen. Auch der Landesbildungsserver der Kultusbehörde in Baden-Württemberg bietet dazu wertvolle Infos.

Das Projekt „Dialog macht Schule“ setzt sich über Projekte, Workshops und Beratung für eine Demokratie ein, „in der alle gesellschaftlichen Gruppen unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft, die Gesellschaft und Politik mitgestalten können“.

Das Landesbildungszentrum Deradikalisierung des KPEBW als neue Einrichtung des Landes dient der Erkennung von Radikalisierung bei Jugendlichen und bietet Weiterbildungsangebote für pädagogische, (schul-)psychologische oder polizeiliche Fachkräfte an.

Mit dem Präventionsprojekt „ACHTUNG?!“ des Polizeipräsidiums wurde ein Ansatz der Sekundärprävention vorgestellt, der mit einer Kombination aus Theaterpädagogik, Diskussionsrunden für Schülerinnen und Schüler, Ausstellungen und Elternabenden bereits seit zwei Jahren an Schulen extremistischen Bestrebungen entgegen wirkt.

Deutlich wurde im abschließenden „Harvesting“, der Tagungsreflexion und dem Transfer auf das eigene Arbeitsfeld, dass gesellschaftspolitische Bildung keine Aufgabe einer Profession allein sein kann, sondern dass das alltägliche Vorbildlernen, das aktive Entgegentreten bei Ausgrenzung, Empowerment von Randgruppen, Empathie und Respekt lernen, schon Grundpfeiler pluraler Lebenswelten sind – ein alltägliches Zeichensetzen für eine friedvolle Gemeinschaft vor Ort.

Neben Vorträgen und Diskussionsrunden konnten im Rahmen des Gesamtkonzepts der Tagung etliche Methoden und Infos zur pädagogischen Arbeit mit „Betzavta“ erlebt und reflektiert fahren werden. Betzavta wurde 1988 am Jerusalemer ADAM-Institute for Democracy and Peace mit dem Ziel entwickelt, die Erziehung zur Demokratie in Israel zu fördern. Die Akademie Bad Boll und die Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg /Servicestelle Friedensbildung bieten mit einer vierteiligen Fortbildungsreihe 2018-2020 den Haupt- und Ehrenamtlichen ein wertvolles Handwerkszeug für Demokratielernen, Friedensbildung und einen innovativen Umgang mit Konflikten in der politischen Jugendbildung.

Kontakt: Sigrid Schöttle