Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung
28. Mai 2025 | Gemeinsame Initiative der Träger politischer Jugendbildung (GEMINI)

Quo vadis Politische Jugendbildung? Vielfalt als Chance in Krisenzeiten.

Panel-Diskussion auf dem 18. DJHT


Welchen Fragen muss sich politische Jugendbildung angesichts weltweiter Krisen stellen? Wie positioniert sie sich in einer Demokratie unter Druck? Welche jungen Menschen erreicht sie und wie gelingt eine nachhaltige Diversifizierung der Trägerlandschaft?

Das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) lud zu einem Fachforum ein, um genau diese Fragen auf dem 18. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag in Leipzig zu diskutieren. Ole Jantschek, Sprecher der GEMINI (Gemeinsame Initiative der Träger politischer Jugendbildung im Bundesausschuss Politische Bildung (bap)) brachte die Perspektive der Fachpraxis in das anregende Gespräch mit Vertreter*innen der politischen Bildungspraxis, der Wissenschaft und der Fördergeber ein.

Das Publikum setzte sich maßgeblich aus dem politischen Bildungsbereich zusammen, doch auch Akteure aus Schule, Jugendsozialarbeit und Ministerien waren vertreten. Durch zahlreiche Nachfragen und eine lebendige Diskussion zeichnete sich die hohe Involviertheit der Teilnehmenden aus, die aus den vorangegangenen Tagen des DJHT bereits zahlreiche Impulse mitbrachten.

Eingangs verzeichnete Prof. Dr. Andreas Thimmel (TH Köln), seit 25 Jahren kritischer Begleiter der politischen Bildung, eine positive Entwicklung bei der Bearbeitung von Diversität, Postmigration und Inklusion in der politischen Jugendbildung. Er konstatierte: „Politische Bildung ist eine Dauerbegleitung zu dem, was in der Welt passiert“. Auch Arne Busse (Bundeszentrale für politische Bildung – bpb) registrierte eine verbesserte Kooperation und Zusammenarbeit mit Menschen mit Migrationshintergrund und Armutsbetroffenheit. Der bpb gehe es darum, möglichst große Gruppen wirkungsvoll zu erreichen. Für digitale Räume ziehe man zunehmend Social-Media-Creators hinzu, über die Jugendsozialarbeit bildeten sich neue Schnittstellen zu Jugendlichen.

Kübra Tan (Muslimisches Bildungswerk Bayern) hob hervor, dass es mehr muslimische Perspektiven in der Bildungsarbeit brauche, z.B. bei Themen wie Identität und Alltagsrassismus. Außerdem machte sie die Erfahrung, dass sich Schnittstellen besonders dann ergeben, wenn man Veranstaltungen nicht explizit als politische Bildung deklariert. Ein Teilnehmer aus dem Publikum bestätigte dies: In Sachsen sei politische Bildung ein oftmals negativ besetzter Begriff. Demokratie funktioniere schon besser, doch müssten die Angebote bisweilen noch unverfänglicher sein.

Aus Sicht von Andreas Thimmel, der seine persönliche Betroffenheit deutlich machte, brauche sich die Politik über den Zustand der Demokratie nicht zu wundern, wenn man den Rückgang der Strukturen betrachte. Wenn ganze Regionen verwahrlosten, seien auch Kooperationen nicht mehr möglich. Auch für Jugendliche, so eine Stimme aus dem Publikum, ergäben sich dadurch besonders in Ostdeutschland resonanzfreie Räume, in denen ihre Stimme nicht wahrgenommen werde. Rechtsgeprägte Jugendliche seien dort inzwischen die gesellschaftliche Identität. Younes Alla (IKAB – Bildungswerk e.V.) plädierte dafür, junge Menschen jedoch nicht als Problemfälle zu sehen, sondern gesellschaftliche Missstände dahinter zu reflektieren.

Panel-Runde, von links nach rechts: Kübra Tan, Arne Busse, Ole Jantschek, Sera Choi, Prof. Dr. Andreas Thimmel, Younes Alla.

©AKSB e.V.

Ole Jantschek (et/GEMINI-Sprecher) hob die Bedeutung von Kooperationen hervor, um Ressourcen zu bündeln, neue Zielgruppen zu erreichen und eine vielfältige Praxis zu ermöglichen. Es müsse darum gehen, im Sinne des 16. Kinder- und Jugendberichts unterschätzte Räume der politischen Bildung zu erschließen und insbesondere mit anderen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendarbeit zu kooperieren. Die Erfahrung der GEMINI im Respekt Coach-Programm zeige aber auch, dass es dafür eine verlässliche und langfristig angelegte Förderung brauche. Ein zweites wichtiges Thema benannte er mit der diversitätsorientierten Öffnung der politischen Jugendbildung. Er verwies beispielhaft auf die Projekte „Neue Bündnisse, Neue Wege“ der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung (et) und Teilseiend e.V. – Muslimische Akademie Heidelberg sowie „Koordinaten verschieben – Perspektiven erweitern“ des Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB). Doch je vielfältiger die Landschaft und Angebote der politischen Bildung werden, desto wichtiger sei es auch, dass ein gemeinsamer Fachdiskurs zur Profession und ihren Standards geführt werde. Statt sich in immer kleinere Räume auszudifferenzieren, brauche es gemeinsame Orte, in denen die Vielfalt zusammenkommt und Ambiguitätstoleranz und Streitkultur gestärkt werden.

Eine Teilnehmerin aus dem Publikum bemängelte die starke Schulzentrierung der Politik. Die Schulen wiederum kennen oftmals die außerschulischen Strukturen nicht. Andreas Thimmel bestätigte diesen Eindruck: Die Heterogenität des Feldes und Arbeitsweisen der politischen Bildung seien der Politik selten klar.

Abschließend fragte Moderatorin Sera Choi (BMBFSFJ) in die Panel-Runde, welche Wünsche man an die neue Bundesregierung habe. Es brauche verlässliche Förderperioden, um die eigene Arbeit als kleinerer Träger weiterentwickeln zu können und strategisch die Zukunft zu planen, forderte Kübra Tan. Statt der Diskussionen um das vermeintliche Neutralitätsgebot wünschte sich Arne Busse einen stärkeren Fokus auf den 3. Punkt des Beutelsbacher Konsenses: Politische Bildung müsse Menschen in die Lage versetzen, ihre eigenen Interessen zu erkennen und zu vertreten.

Ole Jantschek betonte, die neue Bundesregierung dürfe nicht das Schreckgespinst einer Machtübernahme der AfD an die Wand malen und diesem Szenario damit eine immer größere Bedeutung geben, sondern müsse konsequent Strukturen der politischen Jugendbildung und der Kinder- und Jugendhilfe den Rücken stärken. Im Koalitionsvertrag steht die Absichtserklärung, dass der Kinder- und Jugendplan (KJP) aufgestockt und dynamisiert wird. Aus diesem „Wollen“ müsse schnell ein „Tun“ werden. Denn der KJP stellt sicher, dass Jugendliche Räume finden, in denen sie Teilhabe, Vielfalt und Gemeinschaft erleben.

Eine Begegnung auf Augenhöhe zwischen Politik und politischer Bildung war für Younes Alla wesentlich, und auch Andreas Thimmel griff diesen Gedanken auf: Es brauche einen Ort, wo Politiker*innen den politischen Jugendbildungsangeboten zusehen können, um dadurch deren Auftrag und Arbeit besser zu verstehen.

 

Kontakt: Ole Jantschek

GEMINI: https://www.demokratiestaerkerinnen.de/