Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung
27. Mai 2024 | Evangelische Akademie Frankfurt

Pop-Up Europamarktplatz

Mit 16-Jährigen über ihr neu gewonnenes Wahlrecht sprechen


Am 9. Juni wird ein neues Europaparlament gewählt. Zum ersten Mal dürfen Jugendliche bereits ab 16 Jahren wählen gehen, wenn sie im Besitz eines EU-Passes sind. Doch, was wird da eigentlich gewählt? Was steht zur Wahl? Wie weiß man, was man wählen will? Geht mich die EU überhaupt etwas an? In unserer Arbeit mit Jugendlichen im Rahmen verschiedener Europabildungsangebote stellen wir fest, dass Wahlrecht ab 16 nicht nur auf Begeisterung stößt. Viele Teilnehmende sind sich unsicher, ob sie genug wissen, um damit verantwortungsvoll umzugehen oder meinen, dass Europapolitik sie nicht interessiert.

Mit dem „Pop-Up Europamarktplatz“ reagiert die Evangelische Akademie Frankfurt, in Kooperation mit dem Europe Direct Relais Rhein-Main, auf diese Unsicherheiten der Erstwählenden. Es ist ein Experiment aufsuchender Politischer Bildung mit dem Gedanken, dass wir vor der Europawahl so viele Jugendliche wie möglich erreichen und versuchen wollen mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ziel des Ganzen: Fragen beantworten, Fragen wecken, europäische Politik näherbringen, Anregungen für die eigene Meinungsbildung und Orientierung bieten, was das Europaparlament macht, wer wählen darf und wie man denn wissen kann, was man wählen wird.

Unter dem Motto „Ihr habt Fragen zur Europawahl? Wir kommen an eure Schule, um sie zu beantworten“ stellten wir uns an fünf Tagen an verschiedenen Schulen auf (Gymnasium, berufliches Gymnasium, Berufsschule). Mit kurzweiligen Aktionen und abwechselnden Interaktionsangeboten ermöglichten wir eine Auseinandersetzung mit der Wahl und mit dem eigenen Wahlrecht (beziehungsweise mit dem nicht-wahlberechtigt-sein). Auf dem Pausenhof oder im Schulfoyer erzeugten wir mitten im schulischen Milieu eine außerschulische Lernzone – freiwillig ohne Notendruck. Es geht um die Neugier und das eigene Interesse, um so vielen Erstwählenden wie möglich die Hemmschwelle zu nehmen und zu zeigen, dass Politik Spaß machen kann.

Probieren geht über Studieren

An den unterschiedlichen „Stationen“ gab es verschiedene Angebote: Abstimmungssäulen, Bodenzeitung, Memewerkstatt, der Wahlberechtigungscheck in Boxen, Wahrheit oder Lüge, Europaquiz, das Legislativity-Spiel, Tischtennisplatte, Wahlzettel und Wahlurne und jede Menge Infomaterialien. So konnten die Jugendlichen beispielsweise zunächst beim Wahlberechtigungscheck testen, wer wahlberechtigt ist und bekamen einen Probewahlzettel mit 34 Alternativen in die Hand gedrückt (etwas, das mehrmals Überforderung auslöste: „so viele!“, „wie soll man sich da entscheiden?“). Sie konnten zusätzlich erfahren, dass man nur in Deutschland, Österreich, Belgien und Malta ab 16 wahlberechtigt ist. In Griechenland ist das Wahlalter 17 Jahre und in den anderen Ländern 18 Jahre (etwas, das die meisten überraschte). Nebenan konnte man abstimmen, ob mehr Menschen wahlberechtigt sein sollten, beziehungsweise ob es einheitliche Regeln in der EU geben soll (Skala: stimme zu, stimme nicht zu). Und wer nicht wahlberechtigt war, kriegte einen Zettel in die Hand mit der Botschaft „du bist nicht allein, 20 Millionen Menschen in Deutschland geht es so wie dir!“ und Hinweise dazu, wie man sich auch abseits der Wahl politisch engagieren kann.

Bei „Wahrheit oder Lüge“ konnte man seine EU-Kenntnisse testen und sich mittels eines Schaubilds vor Augen führen, wie die Gesetzgebung in der EU funktioniert. Um greifbar zu machen, was bei so einem Verfahren herauskommen kann, gab es eine Pinnwand voller Beispiele kürzlich entschiedener europäischen Gesetze, bei denen man mit roten und grünen Punkten seine Meinung ausdrücken konnte. In der Box, bei der es um Wahlbeteiligung ging, lag ein Demokratiedeckel mit der Frage „welche guten Gründe können Menschen haben, nicht wählen zu gehen?“. Außer den Demokratiedeckeln waren auch andere Elemente aus der Jungen Akademie mit dabei: das Europaquartettspiel natürlich und „Fragen wagen“ mit Beispielfragen für Gespräche mit Menschen, die für ein politisches Amt kandidieren.

An vier der fünf Schulen fand eine Probewahl statt, meistens verbunden mit einer Art Workshop, bei dem eine Klasse sich an der Auszählung und Darstellung der Ergebnisse beteiligte. An einer Schule wurde das Event jede Stunde von zwei Klassen besucht, die im Anschluss einen Crashkurs Europawahl von uns bekamen. Bei dieser Gelegenheit konnten wir mit den beteiligten Gruppen etwas tiefer ins Gespräch kommen. Hier ging es beispielsweise darum, wie sie vorhatten sich zu informieren, ob TikTok-Videos für sie eine gute Informationsquelle sind und wie man erfahren kann, ob die Parteien denn auch das tun, was sie versprechen.

Großes Beteiligungsinteresse

Abhängig von Termin und Verfügbarkeit stellten sich weitere Akteure zu uns. Die Hessische Landeszentrale für politische Bildung beteiligte sich zweimal mit ihren Wahl-o-Mat zum Aufkleben, das Dekanat Rodgau mit der Frage, was Religion und Politik miteinander zu tun haben, das Jugendbildungswerk Kreis Offenbach und Partnerschaft für Demokratie der Stadt Offenbach. An einer Schule gab es gleichzeitig zum Event eine Ausstellung der Schülerschaft zu verschiedenen Erasmusaufenthalten. Interesse – aber leider keine zeitlichen Kapazitäten – gab es von Pulse of Europe und der Koordinierungsstelle EU-Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main, mit denen wir aber über zukünftigen Kooperationsmöglichkeiten im Gespräch bleiben.

#weiterlesen: Einen schönen Bericht über den Pop-Up Europamarktplatz hat op-online hier veröffentlicht.

Kontakt: Dr. Stina Kjellgren