30. April 2024 | Muslimische Akademie Heidelberg - Teilseiend e.V.
Netzwerktagung für muslimische Akteure im Bildungsbereich
Muslimisches Engagement fokussiert sich auf politische (Jugend-) Bildung
Im April lud die Muslimische Akademie Heidelberg zu einer bundesweiten Netzwerktagung ins Evangelische Studienzentrum Stuttgart-Birkach ein. Mit dabei waren über 30 muslimische Bildner*innen aus ganz Deutschland, die in sechs Bundesländern und 18 Städten aktiv sind. Alle Anwesenden repräsentierten Vereine oder Projekte mit muslimischem Selbstverständnis oder solche, die sich unter anderem an muslimische Jugendliche richten. An den beiden Tagen wurde intensiv inhaltlich und fachlich diskutiert.
Ein Schwerpunkt des Austauschs war die Netzwerkarbeit. Alle Teilnehmenden betonten die Wichtigkeit von Kontaktpflege und Erfahrungsaustausch, insbesondere als Muslim*innen im zivilgesellschaftlichen Bildungsbereich. Als Mehrwert der Netzwerkarbeit hoben sie die Bildung von Allianzen und Critical-Friends, Ausbau der Sichtbarkeit der eigenen Arbeit und das Teilen von Ressourcen und Wissen hervor.
Weiteres Schwerpunktthema waren Fördermöglichkeiten und die unterschiedlichen Erfahrungen und Wissenstransfer zu Antragsstellungen. Die Diskussionen drehten sich vor allem um die Herausforderung des Strukturaufbaus und die Notwendigkeit hauptamtlicher Stellen, welche entscheidend für eine nachhaltige Entwicklung und konzeptionelle Arbeit der Akteur*innen sind. Vertrauens- und Beziehungsaufbau in bürokratische und politische Strukturen wurden als unerlässlich angesehen. Hierbei spielt auch die Organisationsentwicklung mit dem Ziel der Institutionalisierung eine entscheidende Rolle. Die Diskussionen reichten von fachlichen Standards, Fortbildungen oder Qualitätsmanagement bis hin zu Zukunftsvisionen muslimischer Bildungsstrukturen und konnten längst nicht abgeschlossen werden.
Die Netzwerktagung bot Raum für einen intensiven Austausch über die theoretischen Grundlagen der politischen Bildung und eröffnete dabei neue Perspektiven aus muslimischer Sicht. Im Mittelpunkt der Diskussion standen
- der Beutelsbacher Konsens
- die Frankfurter Erklärung
- das Böckenförde-Diktum
die als wesentliche Leitlinien der politischen Bildungsarbeit in Deutschland dienen. Der Beutelsbacher Konsens betont Prinzipien wie das Überwältigungsverbot, Kontroversität und die Förderung eigenständiger Analysefähigkeiten. Die Frankfurter Erklärung ergänzt diese Grundlagen durch eine stärker werteorientierte Perspektive und unterstreicht die Bedeutung politischer Bildung in einer pluralistischen Gesellschaft. Das Böckenförde-Diktum lenkt den Blick auf die Beziehung zwischen Staat und Religion und stellt die Frage nach den Voraussetzungen, auf denen ein freiheitlicher Staat basiert. Die Teilnehmenden identifizierten die fehlende muslimische Perspektive in der bisherigen Auseinandersetzung mit diesen theoretischen Grundlagen und betonten die Relevanz, diese Leerstelle zu schließen.
Weiterhin thematisierte die Gruppe ausführlich politische Bildung als Profession und stellte Fragen, wie politische und religiöse Bildung zusammen gedacht werden können oder wo die Besonderheiten einer muslimischen politischen Bildung liegen. Hierfür braucht es neue Konzepte. Zusätzlich braucht es Konzepte, die mit derzeitigen Förderlogiken zusammengedacht werden. Abschließend entstand eine Diskussion über relevante Schnittstellenthemen in der Bildungsarbeit. Dazu gehörten Lebensweltorientierung und Aktualität der Themen für Zielgruppen, Politische Bildung als Mittel zur Diskursöffnung und Demokratiestärkung, die Notwendigkeit von Prävention von antimuslimischem Rassismus und Antisemitismus und Diskriminierung innerhalb der muslimischen Communities.
Die Netzwerktagung verdeutlichte die vielfältigen Herausforderungen und Chancen, die muslimische Bildungsakteure in Deutschland erleben. Durch den Austausch konnten viele Impulse für die fachliche Weiterbildung sowie den Aufbau von nachhaltigen Strukturen erarbeitet werden. Alle Teilenehmenden waren sich einig, dass die Netzwerkarbeit weiter fortgeführt werden sollte und es längerfristig sowohl um den fachlich-inhaltlichen Austausch, sowie die strukturelle Weiterentwicklung der Träger gehen muss.
Kontakt: Michèl Ali Schnabel