Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung
20. März 2024 | Deutsche Islam Akademie Berlin

Muslimisch-Jüdische Allianzen

Winterakademie 2023


Die schreckenerregende Eskalation des Nahost-Konflikts seit dem 07. Oktober 2023 schlägt auch in Deutschland hohe Wellen. Gesellschaftliche Missstände, die Antimuslimischem Rassismus und Antisemitismus geschuldet sind, sind seit dem 7.  Oktober exponentiell gestiegen. Dazu zählen neben Verschwörungstheorien und Generalverdächtigungen, gewaltvolle Übergriffe, Drohungen und Diskriminierungen unterschiedlicher Art. Allein zwischen dem 13. und 31. Oktober 2023 verzeichnet die Organisation Claim 53 Vorfälle, die auf Antimuslimischem Rassismus zurückzuführen sind. Dazu zählen Bedrohungen, Gewalt und Diskriminierung von Einzelpersonen sowie 10 Angriffe auf Moscheen. Die Dunkelziffer dürfte, laut Claim, weitaus höher sein, da Fälle oftmals nicht gemeldet werden und folglich undokumentiert bleiben. Der Bundesverband der Recherche und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) verzeichnet zwischen dem 07. und dem 15. Oktober 202 antisemitische Vorfälle. Im Vorjahr waren es 59.

Friedensinitiative Combatants for Peace - Osama Eliwat und Rotem Levin in den Räumlichkeiten der DIADie erschütternden Bilder, Aufnahmen und Zeugenberichte, die uns aus Israel und Gaza erreichen, rufen Ohnmacht, Trauer, Wut und Angst hervor. Insbesondere bei israelisch- und palästinensischstämmigen Menschen, Araber*innen, Juden*Jüdinnen und Muslim*innen sitzen die Wunden tief. Angesichts dieser Entwicklungen, die das gesellschaftliche Zusammenleben vor eine Zerreißprobe stellen, organisierte die DIA in kurzer Zeit zwischen dem 18.12. und 24.12.2024 eine fünftägige Winterakademie unter dem Titel Muslimisch-Jüdische Allianzen:  Zwischen Nahostkonflikt, Antisemitismus und Antimuslimischem Rassismus und Nahostkonflikt. Damit kam die DIA als politische Bildnerin ihrer Verantwortung nach, die immensen Auswirkungen des Nahostkonflikt auf das gesellschaftliche Zusammenleben nicht passiv zu analysieren und eine Entemotionalisierung des Diskurses abzuwarten, um in Aktion zu treten. Sie wollte zeitnah nötige Lern- und Gesprächsräume schaffen.

Bei der Gestaltung der Winterakademie sah sich die DIA insbesondere den Prinzipien der Frankfurter Erklärung für eine kritisch-emanzipatorische Politische Bildung verbunden. Demnach müsse sich eine ernsthaft an der Demokratisierung gesellschaftlicher Verhältnisse interessierte politische Bildung den Umbrüchen und vielfältigen Krisen ihrer Zeit stellen und mit ihren Angeboten auf Themen mit hohem Aktualitätsgrad reagieren. Dass alle Talks und Vorträge in kürzester Zeit ausgebucht waren und die Winterakademie unsere mit Abstand gefragteste Veranstaltungsreihe darstellt, verwundert angesichts des Bedarfs solcher Bildungsformate wenig. Nichtsdestotrotz überraschte uns der Andrang doch ein wenig. Dafür brachte er uns aber den nötigen Wind in die Segel, um auch in Zukunft pragmatisch und couragiert in Krisenzeiten, schnell qualitative Veranstaltungen auf die Beine zu stellen, indem wir unsere Expertisen und die unserer Kooperationspartner*innen und Netzwerke bündeln.

Während der Winterakademie trat eine Vielzahl an Expert*innen mit der heterogenen Zuhörerschaft, welche sich zu großen Teilen aus jungen Erwachsenen und Multiplikator*innen zusammensetzte, in Austausch. Dazu erklärte Pınar Çetin, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Islam Akademie: „Wir brauchen Räume, um uns authentisch über unsere Emotionen zum Nahostkonflikt sowie Rassismuserfahrungen auszutauschen. Nur mit Empathie und einer gesunden Diskurskultur schaffen wir eine friedliche Gesellschaft.“

Es kamen unter anderem ehemalige israelische und palästinensische Kämpfer, die sich in der Friedensinitiative Combatants for Peace engagieren, theologische Perspektiven mit Gesellschaftsbezug aus den drei monotheistischen Weltreligionen wie auch Speaker*innen aus den Bereichen politische Bildung, Journalismus und Forschung zu Wort (Näheres ist dem Programm zu entnehmen). Im Fokus standen folgende Fragestellungen: Wie können wir differenziert über den Nahost-Konflikt debattieren? Wie können unterschiedliche Biografien und Emotionen Raum bekommen, ohne dass die des Gegenübers abgesprochen werden? Wie können wir uns gemeinsam gegen Antisemitismus und Antimuslimischen Rassismus stark machen? Wie können wir Zivilcourage fördern und gesellschaftlichem Verfall entgegenwirken?  Nach vier horizonterweiternden, fordernden aber auch Hoffnung schenkenden Abenden, fand die Veranstaltungsreihe ihren Abschluss morgens im Tegeler Forst, wo unter dem Motto „gemeinsam Erden – Frieden für alle“ eine achtsame und gemeinschaftsfördernde Wanderung unternommen wurde.

Ansprechperson: Armin Begic