Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung
12. August 2019 | Evangelische Akademie Thüringen

Wesen, Wälder und wirre Typen

Liverollenspiel und politische Jugendbildung


Im Lager herrscht buntes Treiben: Ein Abenteurer berät sich gerade mit einer Forscherin und dem örtlichen Heiler, ob es wohl eine gute Idee sei, die seltsame Apparatur zu aktivieren, die gerade gefunden wurde. „Im Dienste der Erkenntnis müssen wir es versuchen“, argumentiert der Mönch, der die wissenschaftliche Leitung innehat. Er erntet einige skeptische Blicke, eine Debatte über den Umgang mit der Maschine entbrennt. Währenddessen spielen einige der Söldlinge, die am Rand des Expeditionslagers Wache halten, bereits nervös mit den Fingern am Griff ihres Schwerts. Eine gewisse Anspannung liegt in der Luft: Vor Kurzem wurden eigenartige Wesen gesichtet, mit denen anscheinend nicht kommuniziert werden kann. Auch einige Räuber haben sich bereits blicken lassen und das Lager mit Aussicht auf reiche Beute behelligt. Aus der Mitte der kleinen Zeltstadt dringt derweil das Geräusch von Eisen, das bearbeitet wird, ans Ohr. Hier kümmert sich der Schmied gerade noch um Reparaturen an der Ausrüstung, bevor die Köchin ein stärkendes Mahl für alle Expeditionsteilnehmenden austeilt. Schließlich müssen alle bei Kräften bleiben, wenn es auf weitere Reisen hinein ins Unbekannte geht…

Auf nach Farelda…

So oder so ähnlich haben sich Szenen beim Liverollenspiel „Expedition ins Ungewisse“ zugetragen, das Anfang August im Lutherpark Erfurt stattfand. Zum nunmehr dritten Mal machten sich Spielerinnen und Spieler auf in die fiktive Fantasywelt rund um den Stadtstaat Tiamast. Dieses Mal jedoch führte sie die Reise in die unerforschten Gefilde des nördlichen Landes Farelda. Als Expeditionsteilnehmende war es dort ihre Aufgabe, die Spur einer verschollenen ersten Expedition aufzunehmen und die Geheimnisse einer mysteriösen Zivilisation zu lüften. Dazu schlüpften sie in verschiedenste Rollen, brachten ihre eigenen Geschichten und ganz unterschiedliche Persönlichkeiten mit: Ein verstoßener Samurai suchte nach einer neuen Bestimmung in fernen Landen; eine Wissenschaftlerin entdeckte ihr ungeheures Talent für alte Sprachen; ehemalige Soldaten versprachen sich Ruhm und die Aussicht auf ein neues Leben, während ein gelangweilter Adliger nach Zerstreuung aus seinem alten Leben trachtete.

…und von dort zurück ins wahre Leben

Das so Erlebte und die Spielerfahrungen wurden anschließend ausgewertet. Als Methode des Game-Based-Learning – Lernen durch Spiel – diente das Liverollenspiel der Überlegung, was sich aus dem Spiel auf die gesellschaftliche Realität übertragen lässt. Die Fülle an Themen, über die sich die Spielenden dabei austauschen, ist erfahrungsgemäß sehr breit und der Austausch äußerst lebhaft. So sprachen die Teilnehmenden beispielsweise über den Umgang mit Fremdem („Wir waren selbst fremd in einem fremden Land und waren den Fremden dort gegenüber misstrauisch.“), über Grenzen der Wissenschaft und Forschungsethik, Inklusion („Als Analphabet im Spiel war ich von vielen Dingen und wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgeschlossen.“) und die Verhältnisse von Kultur, Religion, Wirtschaft und Militär. Dabei zeigte sich auch, dass Fiktion und persönliche Wirklichkeit nicht immer leicht voneinander zu trennen sind: „Mein wahres Ich hat meine Charakterrolle manchmal zurückgehalten“, beschreibt ein Teilnehmer seine Spielerfahrung.

Das Liverollenspiel war eine gemeinsame Veranstaltung der Evangelischen Akademien Thüringen und Sachsen-Anhalt, der Jugendbildungsstätte Junker Jörg in Eisenach und der Evangelischen Jugend Erfurt.

Kontakt: Annika Schreiter, Jan Grooten

Verschiedenste Persönlichkeiten begaben sich beim Liverollenspiel auf eine „Expedition ins Ungewisse“. © Ev. Akademie Thüringen