Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung
27. November 2023 | Evangelische Akademie Frankfurt

International Youth Summit

Jugendliche aus 20 Ländern engagieren sich für Klimaschutz


© Nicolas Det

Viele junge Menschen wollen nicht einfach zuschauen, wie ihr Lebensraum – der einzige Planet, den wir haben – langsam zerstört wird. Sie wollen versuchen, ihn zu retten. Wenige Tage vor dem 28. UN-Weltklimagipfel sind die Fakten leider ernüchternd: Zwei neue Studien legen nahe, dass in nur sechs Jahren das Ziel nicht mehr erreichbar ist, die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen. Der Copernicus-Klimawandeldienst geht davon aus, dass 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen sein wird. Und die Ausstöße klimaschädlicher Emissionen steigen.

Als Climate Ambassadors, mit Baumpflanzaktionen und in Demonstrationszügen zeigen Jugendliche und junge Erwachsene rund um die Welt, dass sie Änderung sehen wollen. Was können wir in Bildungsinstitutionen machen, um sie dabei zu unterstützen? Wie wäre es mit einem internationalen Begegnungsformat, bei dem man sich vernetzen, Expert*innen treffen, neues lernen und eigene Forderungen formulieren kann? Genau das probierte die Evangelische Akademie Frankfurt diesen Herbst in Kooperation mit der Stiftung Plant-for-the-Planet und ihrem internationalen Netzwerk unabhängiger Organisationen.

Vier Tage lang trafen sich über 50 aktive, engagierte und neugierige junge Menschen aus insgesamt 20 Ländern in Frankfurt; aus Mexico, Indien, Nigeria, Italien – und natürlich aus der Rhein-Main-Region. Das Thema der Konferenz kam von den Jugendlichen, die sich ehrenamtlich bei Plant-for-the-Planet engagieren, und konzentrierte sich auf Fragestellungen rund um die Herausforderungen und innovativen Lösungen bei der Finanzierung einer klimagerechten Welt. Ein ungewöhnliches Thema für junge Menschen vielleicht, aber wie Felix Finkbeiner, Gründer von Plant-for-the-Planet (übrigens damals im Alter von 9 Jahren), in seiner Eröffnungsrede erklärte, ist die Frage der Klimafinanzierung eine der zentralen Herausforderungen zur Bewältigung der Klimakrise.

Bei der letztjährigen Weltklimakonferenz in Ägypten wurde berechnet, dass die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft Investitionen in Höhe von vier bis sechs Billionen USD pro Jahr benötigt. Von wo sollen die Gelder kommen, wofür sollten sie eingesetzt werden, wer soll das wie entscheiden und was heißt „gerecht“ in dem Zusammenhang?

Von Klimafinanzierung und dem guten Leben

Um diesen Fragen nachzugehen, gab es Inputs, Workshops, Diskussionen und – wenn wir schon mal in Frankfurt sind – einen Besuch bei der Europäischen Zentralbank am Mainufer. So teilte beispielsweise Globalisierungsexperte Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. F. J. Radermacher seine Expertise rund um die Frage, wie arme Länder wachsen und sich entwickeln können, ohne dass dies zur Katastrophe für das Klima wird. Seine Botschaft war klar: Reiche Länder können das Problem der Erderwärmung nicht auf ihrem eignen Boden lösen. Sie müssen mit den armen Ländern kooperieren. Wo die einen Finanzierung und Technik anbieten können, können andere Systemdienstleistungen beitragen.

Kann privates Geld Teil der Lösung sein? Das war eine der Fragen, die Dr. Karishma Ansaram vom UN High Level Climate Champions Team, Dr. Verena Kröss, Beraterin bei WEED e.V., und Finanzexpertin und ehemalige Bankenmanagerin Marie Kuhn miteinander auf einem Podium diskutierten. Einig waren sie sich nicht: Während eine geeignete Lösung schien, Regeln wie die EU-Taxonomie einzuführen, wodurch Kapitalströmen so gelenkt werden, dass in „grüne“ Technologie investiert wird, gab es ebenfalls Gegenargumente, die zeigten, dass private Gelder das Klimaproblem nicht lösen werden. In Anpassungsmaßnahmen will kaum jemand investieren. Das Podiumsgespräch wurde aufgezeichnet und kann hier angeschaut werden.

Kann Kapitalismus Klima? Um den Teilnehmenden bei dieser Frage ein paar neue Gedanken mitzugeben, stellte Dr. Jerome Warren von der Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique ein Potpourri alternativer Wirtschaftsmodelle vor. Hier ging es um regenerative Ökonomie, um Gemeingüter, Gemeinwohlorientierung und das Vorgehen, einen Stuhl im Vorstandsgremium für die Natur freizuhalten. Auch im Workshop „Imagine 2050“ ging es um die Frage, wie wir eigentlich leben wollen und was wir dafür brauchen. Zu sehen, wie Architekt*innen und Künstler*innen sich Städte, Siedlungen und Lebensweisen der Zukunft vorstellen, inspirierte und setzte die kreativen Geister frei: Anhand verschiedener Kategorien wie Essen, Schlafen oder Bewegen skizzierten die Jugendlichen, was sie sich für die Zukunft erhoffen.

Lockere Atmosphäre für ernsthafte Themen

Immer wieder gab es Auflockerungselemente und Alternativen zum Finanzthema, das zugegebenermaßen auch etwas trocken werden kann und nicht jedermanns Sache ist. Statt der Europäischen Zentralbank konnten die Jugendlichen beispielsweise das Naturkundemuseum und das Forschungsinstitut Senckenberg besuchen und erfahren, wie es um die Artenvielfalt der Welt steht.

© Stina Kjellgren

In einem lockeren Gespräch mit Prof. Thomas Hickler erfuhren wir, wie es sich anfühlt, als Wissenschaftler in einer politischen Anhörung zu sitzen und kaum etwas sagen zu können, weil fast alle Fragen an Personen aus der Industrie- und Wirtschaftslobby gehen. Workshops gab es auch beispielsweise dazu, was die Umweltpsychologie uns darüber verrät, wie man über das Klima reden kann, um Menschen mitzunehmen und zu aktivieren – für junge Engagierte durchaus spannende Infos. Praktisch wurde es in einer Arbeitsgruppe, die eigene Beiträge für Social Media entwarf. In einer anderen ging es um die Entwicklung einer neuen Software-Applikation zur Überwachung von Baumbeständen, die den Teilnehmenden vorgestellt und zur Diskussion gestellt wurde.  Für diejenigen, die Frankfurt noch nicht kannten, boten zwei Teamende aus der Akademie eine Stadtwanderung an, bei der politische Bildungsmethoden mitten im Bankenviertel und an Orten lokaler Protestgeschichte durchgeführt wurden. „Wo ist das WIR in Wirtschaft?“ war die Frage, die die Wanderung begleitete. Am Ende stand ein abwechslungsreiches Programm, dem auch die jüngeren (16 bis 17-jährigen) Teilnehmenden viel abgewinnen konnten. Und natürlich fehlte es nicht an Spaß. Mit viel Humor, lustigen Geschichten, Quizfragen und Kreativprogramm zu Mocktails und Musik gab es abends ein wichtiges Gegengewicht zu den ernsten Themen des Tagungsprogramms. Über den Spirit, die jungen Menschen und deren Arbeit während der Konferenz bekommt man in diesem Reel einen schönen Einblick.

Beim Abschied nach vier intensiven Tagen überschütteten die Teilnehmenden einander und das Orga-Team mit positiven Rückmeldungen. Neben der Rückmeldung, dass das Programm viele neue Einsichten, Erkenntnisse und Ideen gebracht hat, ging es um die vielen spannenden Begegnungen, um das Gemeinschaftsgefühl, darum zu spüren, dass man nicht allein ist, sondern von den anderen getragen, wertgeschätzt und ermutigt wird.

Aus Akademiesicht war es extra erfreulich, dass eine ganze Handvoll junge Frankfurter*innen mit dabei waren. Wenn ehemalige Teilnehmende wiederkommen, muss das heißen, dass man etwas richtig macht. Richtig stolz sind wir auf den Entwurf eines Manifests, das eine Gruppe während des Youth Summit erarbeitete: Hierfür stimmten sie über ihre wichtigsten Forderungen an Politik und Wirtschaft ab und formulierten diese aus.

Das fertige „Moneyfe$to“ gibt es hier als Download.

 

Kontakt: Dr. Stina Kjellgren