Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung
6. August 2020 | Jugendpolitik

Ein Zusammenhang: Corona, wir und junge Menschen

Was die Pandemie uns über Jugendpolitik aufzeigt


Es ist Sommer 2020 und somit ein guter Zeitpunkt während der Corona-Pandemie nach ersten Rückschlüssen für die Kinder- und Jugendpolitik zu fragen. Die notwendigen Corona-Einschränkungen galten und gelten auch für junge Menschen und somit haben sie einen gleichwertigen Anteil daran, dass unser Gesundheitssystem bislang nicht überlastet ist. Dies belegt in einer recht banalen Form, dass auch junge Menschen von Entscheidungen, Zuständen, Entwicklungen in unserer Gesellschaft gleichermaßen betroffen sind. „Wir Erwachsene“ haben in den zurückliegenden Pandemie-Monaten erlebt, was im Alltag junger Menschen sonst Realität ist und darüber hinaus auch die Arbeit mit jungen Menschen prägt. Wir haben nicht nur erlebt, was uns fehlt, sondern auch, was möglich ist und möglich sein könnte. Und genau darauf sollen folgende Gedanken kurz eingehen – mit dem Ziel, diesen Prozess und diesen Fokus zu verstärken.

Unmittelbar nach Beginn der Pandemie in Deutschland konnten wir beobachten, wie ad hoc zahlreiche Kampagnen und hilfreiche Tipps für den Kinderschutz und für das Kindeswohl entstanden und publik gemacht worden sind. Denn wir wissen, wie fragil Kinderschutz sein kann – auch ohne eine Pandemie. Deshalb muss dieser Schutz für Kinder und junge Menschen noch mehr gestärkt werden. Ebenso war vielen, auch den Entscheidungsträger*innen, sehr bewusst, was die notwendigen Corona-Maßnahmen für diejenigen jungen Menschen bedeuten, die in ökonomisch schwierigen Lebenslagen nun den Alltag und auch das Lernen meistern sollten. Dieser Aspekt lenkt sehr nachdrücklich die Aufmerksamkeit darauf, dass die Minderung von Armut in Zukunft ein kinder- und jugendpolitischer Schwerpunkt sein muss, um deren Auswirkungen wie auch die damit einhergehenden fehlenden Teilhabemöglichkeiten zu minimieren. Noch ein weiteres grundlegendes Beispiel: wir haben erfahren, wie essentiell notwendig unser Bildungssystem ist und wie hilfreich und relevant die Digitalisierung als Teil der Bildung sein kann und muss. Es ist deutlich geworden, dass noch zügiger die Schwächen im Bildungssystem abgebaut und noch schneller die Digitalisierung voranschreiten muss.

Die Quantität sollte ins Hintertreffen geraten

Die zurückliegenden Monate haben darüber hinaus eine weitere Realität verdeutlicht: wir konnten und können erleben, wie wenig hilfreich oder gar sinnig das Zählen der Anwesenheit von jungen Menschen im Jugendclub, in der Schulsozialarbeit oder an anderen Orten der außerschulischen Bildungsarbeit ist (abgesehen vom notwendigen Zählen der maximalen Anwesendenzahl in geschlossenen Räumen aufgrund der Pandemie-Auflagen). Denn wir erleben nun bereits seit Monaten sehr konkret, dass Jugendarbeit und Jugendbildung nicht nur wichtig und relevant ist, sondern auch digital wirkungsvoll realisiert wird. Außerschulische Jugendarbeit ist essentiell, auch und besonders in schwierigen Lebenslagen, denn sie hat bspw. die Möglichkeit begleitend tätig zu sein. Dies unterstreicht, dass die Qualität von Jugendarbeit nicht einfach nur an der Quantität von erreichten jungen Menschen zu einer bestimmten Zeit an einem konkreten Ort festgemacht werden darf.

Und da war und ist noch etwas: viele erwachsene Personen haben sehr deutlich persönlich gespürt, wie wichtig und verbindend Kultur ist – sei es das Buch, das Konzert oder das Kino. Wir haben bemerkt, wie sehr Kultur uns fehlen kann. Auch dies unterstreicht, dass wir uns um ein breites kulturelles Angebot, für mehr Förderung von Soziokultur für junge Menschen engagieren müssen und auch in diesem Bereich digitalisierende Wege zu erschließen und zu ermöglichen sind.

Fehlende Beteiligung führt zu Verdruss

Seit Monaten diskutieren wir mittels Gutachten, Studien und Empfehlungen darüber, wie denn eine Rückkehr in die Normalität gelingen kann. Gerade wird dies bspw. mit dem Beginn des neuen Schuljahres einmal mehr deutlich. Dabei wird immer wieder auch gefragt, weshalb ist dieser oder jener Berufsstand, Wirtschaftszweig etc. nicht berücksichtigt oder nicht ausreichend beteiligt worden ist. Weshalb war es bestimmten oder gar allen mit jungen Menschen arbeitenden Berufsgruppen nicht möglich, sich überhaupt in Prozesse einzubringen? Weshalb wurde deren Mitwirkung und Expertise nicht ausdrücklich eingefordert? Eine fehlende Einbindung und die ausbleibende Möglichkeit zur Mitwirkung in Prozessen und Entscheidungen – das ist eine Perspektive, die ganz viele junge Menschen permanent erfahren und die während der Pandemie einmal mehr stattgefunden hat. An dieser Stelle noch ein Vergleich: der Zustand unseres Gesundheitssystem ist sinnbildlich für etwas, das in der Kinder- und Jugendhilfe ebenso schon lange Alltag ist: fehlende Fachkräfte. Auch hier benötigen wir dringend Antworten und Lösungswege.

Ein bewusster Gestaltungsauftrag

In der Arbeit mit jungen Menschen wird gerade jetzt in dieser Krisenzeit der Corona-Pandemie sehr viel geleistet. Sie ist eine tragende Säule. Aufgrund dessen sollten politische Verantwortungstragende, sollten wir miteinander nicht nur darüber sprechen, wie denn die „Wirtschaftssäule“ wieder „hochgefahren“ werden und bestmöglich unterstützt werden kann. Es gilt auch stets die Frage zu beantworten, ob unsere Entscheidungen, unser tägliches Handeln kinder- und jugendgerecht ist. Wir erleben seit dem Pandemie-Beginn, dass wissenschaftsbasierte Politik möglich ist, in Orientierung an wissenschaftliche Erkenntnisse politische Entscheidungen getroffen bzw. korrigiert werden. Für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft, für die Kinder- und Jugendhilfe haben wir auch schon jetzt ausreichend vorhandenes, wissenschaftlich fundiertes Wissen, um notwendige Prozesse und Entscheidungen auf den Weg zu bringen, die eine vertrauensvolle und verlässliche Begleitung von jungen Menschen ermöglicht und deren Entwicklung stärkt. Einmal mehr erfahren wir gerade, was und wer alles zu unserem Miteinander sowie unserem Zusammenhalt beiträgt – und das in einem guten nachhaltigen Sinn. Und wir wissen, was wir alle benötigen, um teilhaben zu können, anerkannt zu sein, um uns wohl zu fühlen und zufrieden zu sein. Wie gestalten wir vor diesem Hintergrund zukünftig unser Verständnis von einer sozialen wirkungsvollen und ja, rentablen Kinder- und Jugendpolitik? Was wollen wir bewirken und erreichen? Unsere Gesellschaft kann aus dieser Corona-Pandemie lernen und sich wieder neu auf die Arbeit mit jungen Menschen besinnen. Machen wir das doch einfach!

Kontakt: Christian Kurzke