Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung
22. Dezember 2020 | Evangelische Akademie Sachsen

Ein „Pakt für die Jugend“

Eine Fachtagung zu einer Passage im Koalitionsvertrag der sächsischen Landesregierung und deren Potential


Wenn eine Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag einen Satz festhält, in dem sie das Schließen eines „Paktes für die Jugend“ ankündigt, dann setzt sie Maßstäbe, weckt aber auch zugleich Hoffnungen und Begehrlichkeiten – und dies aus verschiedenen Perspektiven. Genau dies haben die Koalitionsparteien der Landesregierung des Freistaates Sachsen Ende 2019 nachlesbar festgehalten und die Folgen so gleich mit ausgelöst. Und bereits im darauffolgenden Satz folgt eine deutliche Einschränkung: nämlich in einem ersten Schritt die ausschließliche Anwendung in der überörtlichen Jugendhilfe. Allerdings ohne zu betonen, dass auch versucht werden soll diese Regelung auf die kommunalen Gebietskörperschaften zu übertragen.

Ein „Pakt“ als Option

Grundsätzlich sollte dieser Passage im Koalitionsvertrag nicht mit bloßem Unterstellen von politischen Floskeln begegnet werden. Zudem sind zahlreiche Akteur*innen in den Parteispitzen langjährige Begleiter*innen der sächsischen Kinder- und Jugendhilfe. Also hilft vielleicht ein Sprachbild weiter: die Regierungsparteien haben sich offensichtlich dazu entschlossen, einen ganz neuen kinder- und jugendpolitischen Bereich zu betreten. Dieser Raum ist umrahmt von Zutrauen, Verlässlichkeit, Beständigkeit und Transparenz mit Blick auf die Kinder- und Jugendhilfelandschaft und letztlich auf die eigentlichen Adressat*innen, den Kindern und jungen Menschen im Freistaat.

Letztlich ist gewissermaßen eine Tür zu diesem Bereich hin aufgestoßen worden. Die Ausstattung und Gestaltung des Paktes selbst steht noch aus. Und da sind zudem viele Fragen. Da ist zum einen eine gewisse Selbstverpflichtung der Landesregierung: sie hat zu liefern. Alles andere wäre möglichweise als ein Scheitern zu bezeichnen. Doch dieser Pakt ist notwendig, auch aufgrund der Herausforderungen in der sächsischen Kinder- und Jugendhilfe, beginnend beim Fachkräftemangel und endend bei den Finanzierungsschwierigkeiten. Jedoch kann ein Pakt immer nur mit einer weiteren Person, Struktur oder Organisation geschlossen werden – letztlich entstehen sozusagen Vertragspartnerschaften. Alle Beteiligten werden sich zu einem Paktbeschluss nur dann entscheiden, wenn sie einen Mehrwert erkennen. Viele sehr grundsätzliche Fragen entstehen: Auf welche Strukturen wird als potentielle Vertragspartnerschaften zugegangen? Wie bringen sich die kommunalen Gebietskörperschaften verlässlich ein? Wie wird Augenhöhe sichergestellt? Ist der Pakt das sächsische Narrativ zur Eigenständigen Jugendpolitik und wird über das Sozialministerium und damit über den klassischen Kontext hinaus erweitert? Und zuletzt die eigentlich wichtigste Frage: Wie werden junge Menschen beteiligt werden?

Impuls für ein Miteinander

Dieser verlockende wie auch herausfordernde Hintergrund führte zum großen Interesse des Studienbereichs Jugend der Evangelischen Akademie Sachsen in Kooperation mit dem Kinder- und Jugendring Sachsen e.V., das Stellen dieser Fragen einmal zuzulassen und mögliche Antworten wie auch Perspektiven einzusammeln. Die Corona-Pandemie verkürzte aufgrund der Unmöglichkeit einer Präsenzveranstaltung das alternative Online-Angebot um nur wenige Stunden. Die Veranstaltung begann mit einem Impuls-Gespräch: Oberkirchenrat Dietrich Bauer, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Sachsen e.V. schilderte die Perspektiven eines christlichen Wohlfahrtsverbandes auf die Frage von Wertigkeiten in (sozial)politischen Entscheidungen, Chancengerechtigkeit wie auch gesellschaftliche Teilhabe, auch an Prozessen wie dem im Koalitionsvertrag angestrebten. Deutlich wurde, dass zumindest rückblickend zahlreiche Gelegenheiten für Beteiligungsprozesse auf Augenhöhe wie auch eine gerechte Kinder- und Jugendpolitik ungewollt oder gar gewollt politisch verpasst wurden. Mit allen Konsequenzen, bspw. mit Blick auf die materiell armen Lebenslagen vieler junger Menschen. Aber auch die entstehenden Möglichkeiten, würden diese Gelegenheiten bewusst aufgegriffen, lägen auf der Hand.

Perspektiven

Im weiteren Veranstaltungsverlauf hatten die über 50 Teilnehmenden und Mitwirkenden in Arbeitsgruppen die Möglichkeit, zunächst in Sachsen bereits Erreichtes und Vorhandenes zusammenzutragen, um darauf aufbauend Perspektiven wie auch potentielle Bestandteile eines Paktes zusammenzutragen. Es entstanden lange und umfangreiche, aber auch beachtliche Auflistungen und Gedanken. Abschließend wurde in einer Diskussionsrunde mit den jugendpolitischen Sprecher*innen der Regierungsparteien, zwei sind zugleich deren Generalsekretäre, das Arbeitsgruppenergebnis besprochen und dessen Umsetzungsmöglichkeiten kritisch eingeordnet. Deutlich wurde, was bereits hier in der Einführung festgehalten wurde: es sind viele Erwartungen in der Fachlandschaft geweckt worden. Die allermeisten sind in der Sache richtig, relevant, begründet und mehrfach auch öffentlich eingefordert (vgl. Tagungsdokumentation). Jedoch müssen diese in kinder- und jugendpolitische Prozesse eingebettet werden, welche der Erfahrung nach in aller Regel langwierig sind. Es gilt, geduldig und beharrlich mit sowie in den Erwartungen zu sein. Und zugleich darauf zu vertrauen, dass alle potentiellen Akteur*innen sich an der Paktgestaltung beteiligen können wie auch wollen.

Die beiden Veranstalter werden sich konstruktiv und einladend an einer Ausgestaltung zur Zukunft nicht nur der Textpassage im Koalitionsvertrag, sondern auch der Fachlandschaft und der eigentlichen Adressat*innen, den jungen Menschen engagieren. Dafür wird zu weiteren Gesprächen und Veranstaltungen eingeladen und darüber berichtet werden.

Kontakt: Christian Kurzke (Studienleiter der Evangelischen Akademie Sachsen)