Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung
27. Juli 2017 | Tagung für Jugendliche an der Evangelischen Akademie Loccum

Freiheit im Visier

Wie kann dem islamistischen Terrorismus in Deutschland begegnet werden?


Wieso radikalisieren sich Jugendliche, die in Deutschland groß geworden und zur Schule gegangen sind, und ziehen in den Dschihad? Dieser Frage gingen vom vom 12.-14. Juni knapp achtzig Jugendliche an der Evangelischen Akademie Loccum nach. Anlass für die Tagung mit dem Titel „Freiheit im Visier“ waren die jüngsten islamistisch motivierten Terroranschläge in Europa, unter anderem in Paris, Brüssel, Nizza, Berlin und London.

Das Internet ist ein Forum für Extremisten

Dschihadisten sind im Internet stark präsent und ihre Botschaften verbreiten sich schnell und unkontrollierbar in den sozialen Medien. Der so genannte, selbst ernannte Islamische Staat hat seine Online-Propaganda in der letzten Zeit stark auf europäische Jugendliche ausgerichtet. Angesichts erheblicher Gebietsverluste in Syrien und Irak richtet sich die Rekrutierung junger Menschen für terroristische Zwecke nicht mehr so sehr auf eine Kriegsbeteiligung in dieser Region, sondern auf Einsätze in Europa. Online-Magazine, die zu Attentaten aufrufen und in denen Tötungstechniken detailliert erläutert werden, sind ohne Aufwand durch Suchmaschinen zu finden. Und auch wenn sie gelöscht werden, tauchen sie anderer Stelle im Internet wieder auf.

Das könne, so die ernüchternde Erkenntnis einer Referentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes, leider in keiner Weise unterbunden werden. Reale soziale Kontakte zur islamistischen Szene haben laut den deutschen Sicherheitsbehörden den größten Einfluss auf die Radikalisierung Jugendlicher. Rein über das Internet werden die wenigsten Jugendlichen für islamistische Zwecke rekrutiert, aber es hat eine wichtige Stabilisierungsfunktion und dient dazu, mit ihnen in Kontakt zu treten.

Freiheit im Visier - Tagung für Jugendliche zum Thema islamistischer Extremismus

Ist also prinzipiell jede*r anfällig für Radikalisierung? Diese Frage wurde auf der Tagung hitzig debattiert.

Intelligenz schützt nicht vor Extremismus

Die Teilnehmenden der Tagung mussten erkennen, dass es ein Vorurteil ist, nur „dumme Jugendliche“ fielen auf die Tricks dschihadistischer Rekrutierer rein.

Nach Gesprächen mit Islamwissenschaftler/innen, Mitarbeitenden aus der Extremismusprävention und des Verfassungsschutzes wurde klar, dass die Gründe für eine politische Radikalisierung sehr unterschiedlich sein können. Religion spielt dabei oft gar keine zentrale Rolle, sondern die Sinnsuche und das jugendliche Bedürfnis, als Person wahrgenommen zu werden und wichtig zu sein. Extremisten liefern einfache Antworten auf schwierige (Lebens-)Fragen. Ist also prinzipiell jede*r für eine solche Radikalisierung anfällig? Diese Frage wurde hitzig debattiert. Freunde zu haben, Unterstützung in Schule und Familie zu finden und zu erleben, dass man als Mensch wertvoll ist, sind ein wichtiger Schutzschild für Jugendliche, so der Tenor der Tagung.

Durch die Auseinandersetzung mit der Voicemail des jungen IS-Kämpfers aus Deutschland wurde für die Teilnehmenden verständlich, dass viele Jugendliche einer Illusion aufsitzen: der Traum vom Abenteuer, vom Krieg für eine gute Sache, von einem Ort, an dem Recht und Ordnung herrschen, erfüllt sich in keiner Weise. Stattdessen dienen die jungen Rekruten als Kanonenfutter im Krieg eines selbst ernannten Kalifats fernab der eigenen Heimat.

Ausgrenzung ist der Nährboden für Radikalisierung

Deutlich wurde in der Tagung auch, wie sehr das Thema Terrorismus das Verhältnis zu Muslimen in Deutschland belastet. Jede*r kann in der Schule etwas dagegen tun, den Islam und seine Gläubigen unter Generalverdacht zu stellen. Das Wissen über den Islam ist nicht sehr groß und diese Unkenntnis führt oft zu Ausgrenzung. Diese kann den idealen Nährboden dafür liefern, dass aus jungen Menschen Extremisten werden.

Autorin: Simone Schad-Smith